„Löcher im Sonnenschirm“

privat

Dr. Anna Possner forscht am Institut für Atmosphäre und Umwelt an der Goethe-Universität Frankfurt am Main

Am 5. Juni ist Weltumwelttag. Ein guter Anlass, Klimaforscherin Dr. Anna Possner nach ihren Studien am Institut für Atmosphäre und Umwelt an der Goethe-Universität Frankfurt am Main zu fragen. Die Wissenschaftlerin wird mit ihrem Forschungsprojekt im französisch-deutschen Programm „Make our planet great again“ (MOPGA) gefördert, das einen Beitrag zur Klimaforschung leisten soll. Es wird für Deutschland mit 15 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) umgesetzt.

Frau Dr. Possner, was erforschen Sie genau?
Speziell beschäftige ich mich mit marinen Stratocumulus-Wolken. Das sind flache Schichtwolken, die sich über hunderte von Kilometern über die Weltmeere erstrecken. Sie reflektieren sehr effizient Sonnenlicht und kühlen dadurch die Erde. Da sie Schatten spenden, kann man sie sich gewissermaßen wie einen halbdurchlässigen Sonnenschirm vorstellen, der sich um die Erde zieht. Jetzt geht es darum zu verstehen, wie viel Sonnenlicht genau dieser Schirm reflektiert und welche Prozesse das bestimmen. Was passiert mit ihm, während sich die Erde erwärmt? Wir wissen, dass dieser Sonnenschirm in Zukunft weniger Schatten spenden wird. Das kann dadurch geschehen, dass er mehr Löcher bekommt oder das Gewebe dünner wird. Aber zu welchem Grad das jeweils passiert, versuchen wir herauszufinden. In meinem Forschungsgebiet geht es konkret darum, dass diese Wolken in manchen Erdregionen – im Nordatlantik oder im Südozean – nicht nur aus Wasser bestehen, sondern aus einer Mischung aus Flüssigwasser und Eispartikeln. Je mehr Eispartikel, desto weniger Flüssigwasser – und dieser Gehalt ist entscheidend für die Reflexionsfähigkeit der Wolken. Die Eisformation kann das Gewebe des Sonnenschirms dünner machen oder seine Struktur verändern.
 

Interview Possner Wolken

NASA

Bienenwabenmuster in marinen Stratocumulus-Wolken

Sie sind von der renommierten Carnegie Institution for Science in Stanford, USA, nach Deutschland gewechselt. Was hat Sie daran gereizt?
In Deutschland wird gerade sehr viel im Bereich des Klimawandels auf hohem Niveau geforscht. Da gibt es viele Querverbindungen von diesem laufenden Projekt zu anderen, beispielsweise das AC3-Projekt über Arctic Amplification, in dessen Rahmen auch Wolken studiert werden, oder das MOSAiC-Projekt, an dem viele internationale und auch deutsche Partner beteiligt sind. Zum anderen ist die finanzielle Situation zur Forschungsförderung in Deutschland im internationalen Vergleich recht gut. Mein Projekt passt thematisch bestens zur Goethe-Universität Frankfurt, weil es auch hier Überlappungen mit den Professoren des Instituts für Atmosphäre und Umwelt gibt. Darüber hinaus finde ich hier die richtige Infrastruktur vor, wie zum Beispiel die Anbindung an das Hochleistungsrechnungszentrum. Das sind optimale Forschungsbedingungen.

Schaffen wir es denn, unseren Planeten wieder großartig zu machen?
Ich finde es sehr gut, dass die Debatte über den Klimawandel in der Gesellschaft und in der Politik wieder Fahrt aufnimmt und man wirklich konkret diskutiert, welche Maßnahmen umgesetzt werden sollten, um den CO2-Ausstoß zu minimieren. Ich sehe meinen Beitrag darin, mich weiterhin reinzuhängen und zu versuchen, die Unsicherheiten im Zusammenhang mit den CO2-Projektionen einzuschränken. Es geht jetzt nicht mehr um die Erwärmung an sich oder um die klimatischen Konsequenzen für unseren Planeten durch den derzeitigen CO2 Ausstoß – die stehen außer Zweifel –, sondern um den exakten Grad der Erwärmung, also die Frage: Wie schlimm wird es wirklich? Hierzu mehr Wissen beizusteuern – das ist meine Mission.

Interview: Britta Hecker (5. Juni 2019)